Vertrag

Die Begründung eines Schuldverhältnisses
durch Rechtsgeschäft geschieht regelmäßig durch V. (§ 305 BGB). Ein V. ist ein i.d.R.
zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem durch mindestens zwei übereinstimmende
Willenserklärungen ein rechtlicher Erfolg erzielt werden soll (Vertragswille). Der V.
kommt demnach grundsätzlich durch den Antrag (Angebot) der einen Seite – Vertragsantrag,
Offerte – und durch die (vorbehaltlose, s.u.) Annahme dieses Antrags durch den anderen
Beteiligten – Vertragsannahme, Akzept – zustande. Ein V.antrag liegt in jedem genügend
bestimmten Angebot einer Leistung, dem der erforderliche rechtliche Bindungswille zugrunde
liegt (z.B. Aufstellung eines Automaten, Zusendung unbestellter Waren zum Kauf). Zu
unterscheiden hiervon ist die bloße Aufforderung, seinerseits ein V.angebot abzugeben –
sog. invitatio ad offerendum -, bei der wegen fehlenden Bindungswillens ein Antrag noch
nicht vorliegt (z.B. Inserat in einer Zeitung). Der Anbietende ist an seinen V.antrag
gebunden, sofern er nicht die Gebundenheit durch eine Freizeichnungsklausel o. dgl. – z.B.
„Lieferung freibleibend „, „ohne Obligo“ – ausgeschlossen hat (§ 145
BGB; Grenze für kurzfristige Preiserhöhungen: § 11 Nr. 1 AGB-Ges.; Bindung aber, wenn
die anfragende Seite das „freibleibende“ Angebot angenommen hat). Der Antrag
erlischt, wenn er dem Anbietenden gegenüber abgelehnt oder nicht rechtzeitig – s.u. –
angenommen wird (§ 146 BGB).
Die V.annahme muss regelmäßig dem Antragenden gegenüber erklärt werden; sie kann
auch stillschweigend erfolgen (z.B. durch Verzehr der zugesandten unbestellten Ware). Der
V. kommt ausnahmsweise auch ohne ausdrückliche Erklärung der – stets erforderlichen –
Annahme zustande, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist
oder der Antragende auf sie verzichtet hat (§ 151 BGB). Durch bloßes Nichtstun
(Schweigen) kann eine Annahme regelmäßig nicht erklärt werden. Ein Kaufmann, der einen
Antrag auf Geschäftsbesorgung von jemand erhält, mit dem er in Geschäftsverbindung
steht, ist jedoch verpflichtet, hierauf unverzüglich zu antworten; sein Schweigen gilt
als Annahme des Antrags (§ 362 HGB). Hieran anknüpfend hat die Rspr. für den Verkehr
unter Kaufleuten, ausnahmsweise darüber hinaus auch für geschäftsgewandte
Nichtkaufleute angenommen, daß das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben, in dem der
z.B. telefonisch abgeschlossene V. schriftlich bestätigt wird, als Einverständnis mit
dessen Inhalt gilt, auch wenn das Bestätigungsschreiben von dem vorher Vereinbarten
inhaltlich abweicht (Abänderung des ursprünglich abgeschlossenen V.; anders bei
unzumutbarer Abweichung oder wenn nur eine – gegenüber dem Angebot modifizierte
-Auftragsbestätigung vorliegt). Ein Irrtum über die Bedeutung des Schweigens berechtigt
nicht zur Anfechtung des V.s. Hat der Antragende für die V.annahme eine Frist bestimmt,
so kann die Annahme nur innerhalb dieser Frist erfolgen (§ 148 BGB). Sonst kann
regelmäßig der einem Anwesenden (auch telefonisch) gemachte Antrag nur sofort, der einem
Abwesenden gemachte Antrag bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der
Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147
BGB). Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag; eine Annahme unter
Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden
mit einem neuen Antrag (§ 150 BGB). Bei einer Versteigerung gilt das Gebot als V.antrag
(Bindung nur bis zur Abgabe eines Übergebots), der Zuschlag als V.annahme (§ 156 BGB).
Die Willenserklärungen beider Seiten müssen sich inhaltlich vollständig decken.
Solange sich die Parteien nicht über alle Punkte, d.h. auch über Nebenabreden, geeinigt
haben oder z.B. die vorgesehene Beurkundung noch nicht vorgenommen wurde, ist im Zweifel
der V. noch nicht geschlossen ( offener Dissens, § 154 BGB). Liegt dagegen ein
versteckter Einigungsmangel – sog. versteckter Dissens – vor (die Parteien haben einen
Punkt übersehen, sich verlesen oder objektiv mehrdeutige Erklärungen abgegeben, die sich
zwar äußerlich decken, inhaltlich aber von jeder Seite verschieden ausgelegt werden,
z.B. Verkauf eines Grundstücks „rechts von der Straße“), so gilt der V. nur,
sofern anzunehmen ist, daß er auch ohne Einigung über diesen – unwesentlichen – Punkt
geschlossen worden wäre (§ 155 BGB). Der versteckte Dissens ist zu unterscheiden von der
bloß falschen Bezeichnung des V.sgegenstands (sog. falsa demonstratio; z.B. beide Seiten
meinen dasselbe Grundstück, geben aber eine falsche Flurstücksnummer an; hier gilt
uneingeschränkt das wirklich Gewollte), vom Irrtum einer Seite über den Inhalt ihrer
Erklärung und vom (unbeachtlichen) geheimen Vorbehalt einer Seite, das Erklärte in
Wirklichkeit nicht zu wollen (§ 116 BGB).
Für die Begründung von Schuldverhältnissen gilt der Grundsatz der V.freiheit, d.h.
sowohl der Abschluss als auch der Inhalt eines V.s unterliegen grundsätzlich der freien
Parteibestimmung. Die im besonderen Teil des Schuldrechts geregelten Schuldverhältnisse
(z.B. Kauf, Miete usw.) sind nur typische Beispiele; die Parteien können ihre Beziehungen
grundsätzlich frei gestalten, von den geregelten Bestimmungen abweichen (sog. atypischer
Vertrag) oder V.typen kombinieren. So ist z.B. der sog. Krankenhausv. eine Mischung aus
Dienstv. (Behandlung), Miete (Bett), Kauf (Verpflegung) usw. Für die rechtliche
Behandlung dieser sog. gemischten V. gilt nur bei klarem Dominieren eines V.typs dessen
Recht (Absorptionsgrundsatz, z.B. Kaufrecht bei einem Erwerb von Speisen in einem
Gasthaus; die Beherbergung tritt als bloße Nebenpflicht zurück); sonst ist das
anzuwendende Recht dem jeweils einschlägigen V.typ direkt oder analog zu entnehmen
(Kombinationsgrundsatz).
Darüber hinaus haben sich im Wirtschaftsleben weitere, im BGB nicht geregelte sog.
verkehrstypische V. herausgebildet, s. z.B. Leasingv., Factoringv., Automatenaufstellv.,
Baubetreuungsv., Vertragshändlerv., Belegarztv., Franchisev., Filmbezugsv. Die
Parteiautonomie findet ihre Grenzen vor allem in den Vorschriften des öffentlichen Rechts
(Genehmigungszwang u. dgl.), aber auch im Zivilrecht durch bestimmte zwingende Regelungen
(besonders im Sachenrecht und Erbrecht) sowie durch die allgemeinen Verbote der
Gesetzwidrigkeit (§ 134 BGB) und der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).
Darüber hinaus ist die V.freiheit in folgenden Fällen eingeschränkt: Es kann zwar
der Abschluss des V. den Parteien freigestellt bleiben, der Inhalt des V. ist jedoch
gesetzlich festgelegt (sog. normierter V., z.B. Festsetzung von Höchstpreisen und
-mieten). Ferner kann einer Partei gesetzlich die Pflicht zur Annahme eines V.angebots
auferlegt sein. Einem solchen Abschluss- oder Kontrahierungszwang unterliegen insbes.
Monopolbetriebe (z.B. Eisenbahn, Post, Lieferung von Elektrizität, Wasser usw., nicht
aber z.B. Spielbank). Bei Ablehnung des V.angebots kommt hier zwar kein V. zustande; sie
macht aber schadensersatzpflichtig. Schließlich kann ein V. oder v.ähnliches Verhältnis
auch durch Hoheitsakt geschaffen werden (sog. diktierter V., z.B. bei einer Zuweisung von
Hausrat nach der Ehescheidung; Hausratsverordnung). Einen praktisch großen Einfluss auf
den Inhalt abzuschließender Verträge üben vorgefertigte Formular- oder Typenverträge
(z.B. Mustermietvertrag) und im Geschäftsleben insbes. die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen aus.
Außer im Schuldrecht spielt der V. auch auf anderen Rechtsgebieten eine Rolle, z.B. im
ehelichen Güterrecht (Ehev.), im Erbrecht (Erbvertrag.), aber auch im öffentlichen Recht
(Vertrag, öffentlich-rechtlicher). Der Schuldvertrag ist – anders als die genannten V. –
grundsätzlich formlos; mündliche Abrede ist daher grundsätzlich ausreichend
(Verbalkontrakt). Für einige V. schreibt das Gesetz jedoch eine bestimmte Form vor, so
die Schriftform (z.B. für langdauernde Grundstücksmietsverträge, für das
Bürgschaftsversprechen) oder die notarielle Beurkundung (insbes. für die Verpflichtung
zur Übertragung des gesamten Vermögens und für einen Grundstückskaufv.). Bereits mit
dem Eintritt in V.sverhandlungen (auch schon vor Abgabe eines Angebots) entsteht zwischen
den Beteiligten ein v.ähnliches Vertrauensverhältnis, das zur gegenseitigen
Rücksichtnahme und Sorgfalt und bei deren schuldhafter Verletzung zu einem Anspruch auf
Schadensersatz wegen Verschuldens beim V.schluss führt (culpa in contrahendo). Über
bloße derartige Vorverhandlungen hinaus geht der Vorv. Dieser ist bereits ein echter V.,
aus dem sich die (erzwingbare) Pflicht zum Abschluss des Hauptv. ergibt. Der Vorv. bedarf
regelmäßig der gleichen Form wie der Hauptv. Der einseitige Vorv. wird Option genannt
Beim V. sind ferner der Verpflichtungsv. (obligatorischer V., z.B. Kauf) und der
Verfügungsv. (z.B. Abtretung, Einigung über den Eigentumsübergang) scharf zu
unterscheiden, auch wenn diese bei Geschäften des täglichen Lebens oftmals
zusammenfallen (Sachenrecht). Wie bei allen Rechtsgeschäften gibt es ferner abstrakte und
kausale V. Der V. ist regelmäßig ein sog. Konsensualv., der durch die beiderseitige
Willensübereinstimmung zustande kommt (Konsensualkontrakt, Versprechensgeschäft). In
besonderen Fällen muss zum Vertragsabschluß jedoch noch eine tatsächliche Handlung
hinzu kommen (sog. Realvertrag, Realkontrakt oder Handgeschäft), so z.B. beim Darlehen
die Hingabe der Darlehensvaluta (bestr.). Die Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens
ist nach dieser Ansicht ein bloßer Vorv. Die sog. Draufgabe (Arrha, Handgeld) ist nicht
Voraussetzung des V.abschlusses, sondern nur ein Anhaltspunkt hierfür (Vermutung); sie
ist bei V.aufhebung wieder zurückzugeben und gilt im Zweifel nicht als Reugeld (§§
336ff. BGB). V. können weiterhin entgeltlich oder unentgeltlich sein; auch der
Gefälligkeitsv. (z.B. Auftrag) ist ein echter V. (anders Gefälligkeitsverhältnis). Der
V. kann einseitig (z.B. Bürgschaft) oder zweiseitig verpflichtend sein; stehen die
beiderseitigen Verpflichtungen in einem Abhängigkeitsverhältnis, so liegt ein
gegenseitiger V. (Austauschv., z.B. Kauf, Miete) vor, für den besondere Regeln gelten.
Selbst wenn ein V. (z.B. wegen Formmangels) nichtig ist, kann er als sog. faktischer V.
vertragsähnliche Wirkungen äußern, wenn die Rechtsverhältnisse der Beteiligten so
abgewickelt wurden, als ob ein wirksamer V. bestanden hätte (insbes. bei
Dauerschuldverhältnissen; faktische Gesellschaft, faktisches Arbeitsverhältnis). Eine
Besonderheit ist schließlich der V. zugunsten Dritter.
Der Inhalt eines V.s kann durch Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Schuldnerverzug,
positive Vertragsverletzung) verändert werden. Für eine rechtsgeschäftliche
Veränderung oder Aufhebung ist, soweit das Gesetz keine andere Regelung zulässt
(Rücktritt vom Vertrag, Kündigung) und die Parteien nichts anderes vereinbart haben,
gleichfalls ein V. erforderlich (§ 305 BGB). Dieser bedarf nicht der Form des
ursprünglichen Rechtsgeschäfts, sofern die Pflichten durch die Abänderung nicht
vermehrt werden und der urspr. V. noch nicht (z.B. durch eine Auflassungsvormerkung)
vollzogen worden ist. Die Parteien können aber auch das alte Schuldverhältnis aufheben
und an dessen Stelle durch V. ein völlig neues treten lassen (sog. Schuldumschaffung,
Schuldersetzung oder Novation). Eine Schuldumschaffung liegt beispielsweise in der
Ausstellung eines Prolongationswechsels oder in der Anerkennung eines abgerechneten
Kontokorrentsaldos. Während bei der bloßen V.änderung das ursprüngliche
Schuldverhältnis mit allen Sicherungsrechten, z.B. Bürgschaft, Pfandrecht, erhalten
bleibt, erlöschen diese Sicherungsrechte regelmäßig bei der Schuldumschaffung (Ausnahme
beim Kontokorrent, § 356 HGB).

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